Aktuelles

Zur Übersicht

FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 12.07.2021 zum Urteil 3 K 1948/18 vom 14.01.2021 (nrkr - BFH-Az.: X R 4/21)

Kein Sonderausgabenabzug für ein zum deutschen kulturgeschichtlichen Erbe gehörendes, in Frankreich gelegenes und unter Denkmalschutz stehendes Wohneigentum mangels Abstimmung mit den französischen Denkmalbehörden

  1. Die Steuerbegünstigung nach § 10f Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) kann für nachträgliche Herstellungskosten für ein Baudenkmal i. S. d. § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG nur gewährt werden, wenn die Baumaßnahmen mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde vor Beginn der Baumaßnahmen abgestimmt waren (§ 7i Abs. 1 Satz 6 EStG).
  2. Ist das Baudenkmal, für welches die Steuerbegünstigung nach § 10f Abs. 1 EStG beantragt wird, in Frankreich belegen, muss eine Abstimmung i. S. d. § 7i Abs. 1 Satz 6 EStG von nach französischem Recht grundsätzlich genehmigungspflichtigen Arbeiten an einem eingetragenen historischen Gebäude mit der zuständigen französischen Denkmalbehörde erfolgen.

Sachverhalt

Der Kläger ist deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz und Praxis in Deutschland. Mit seiner Lebensgefährtin hat er eine gemeinsame Tochter. Der Familienwohnsitz befand sich in den Streitjahren 2010 bis 2014 im Elsass (Frankreich). Der Kläger hatte 2008 das Alleineigentum an 47 % eines nach französischem und deutschem Recht denkmalgeschützten Gebäudes für einen Kaufpreis von 950.000 Euro erworben. Sein Eigentumsanteil umfasst eine Wohnung im Unter- und Erdgeschoss nebst Garten.

In den Jahren 2008 bis 2010 wurden im Auftrag des Klägers und seiner Lebensgefährtin in dem im Eigentum des Klägers stehenden Gebäudeteil umfangreiche Bau- und Restaurierungsmaßnahmen durchgeführt. Hierdurch entstanden insgesamt Aufwendungen in Höhe von 370.112,39 Euro (brutto). Eine (vorherige) Abstimmung der Baumaßnahmen mit den Denkmalbehörden in Deutschland oder in Frankreich hat nach den Angaben des Klägers nicht stattgefunden. Der Kläger beantragte für die Baumaßnamen einen Sonderausgabenabzug nach § 10f EStG. Einen solchen lehnte das beklagte Finanzamt (FA) ab.

Aus den Gründen

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht ab. Das FA habe den Sonderausgabenabzug nach § 10f Abs. 1 i. V. m. § 7i EStG für die Baumaßnahmen an dem im Eigentum des Klägers stehenden Teil des im Elsass gelegenen Baudenkmals zu Recht versagt.

Ansässigkeit des Klägers in Deutschland

Der Kläger sei in Deutschland ansässig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen (DBA-FRA). Da der Kläger zwar die engeren persönlichen Beziehungen in Frankreich, die engeren wirtschaftlichen Beziehungen jedoch in Deutschland habe und sich in der Folge regelmäßig und gleichermaßen häufig in beiden Vertragsstaaten aufhalte, könne weder ein Lebensmittelpunkt des Klägers, noch sein gewöhnlicher Aufenthalt einem der beiden Vertragsstaaten zugeordnet werden. Aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit gelte der Kläger daher nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 b) (cc) DBA-FRA als in Deutschland ansässig.

Kein Sonderausgabenabzug für nicht mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde abgestimmte Baumaßnahmen

Der Kläger habe für die in den Jahren 2008 bis 2010 an der Wohnung im Gebäude durchgeführten Baumaßnahmen keinen Anspruch auf die Steuerbegünstigung für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmale, da die (einfach-rechtlichen) Voraussetzungen des § 10f Abs. 1 i. V. m. § 7i EStG nicht erfüllt seien. Die Baumaßnahmen seien nicht mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde abgestimmt gewesen (§ 7i Abs. 1 Satz 6 EStG).

Aufwendungen für die Baumaßnahmen waren anschaffungsnahe Herstellungskosten nach § 10f Abs.1 EStG

Der Begriff der Aufwendungen in § 10f Abs. 1 EStG könne nur als Anschaffungs- und Herstellungskosten verstanden werden, da Erhaltungsaufwand in § 10f Abs. 2 EStG nach dessen eindeutigem Wortlaut eine eigenständige Regelung erhalten habe. Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten).

Die in den auf die Anschaffung der Wohnung im Gebäude in 2008 folgenden rund zweieinhalb Jahren angefallenen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen von 370.112,39 Euro (brutto) bzw. 350.276,15 Euro (netto) seien sog. anschaffungsnahe Herstellungskosten. Da sich der Kaufpreis für den Eigentumsanteil am Gebäude nach den Angaben des Klägers auf 950.000 Euro belaufen habe, überstiegen die Aufwendungen die 15 Prozent-Grenze selbst dann noch deutlich, wenn ein Teil davon auf üblicherweise jährlich anfallende Erhaltungsaufwendungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG) entfallen sollte.

Eigentumswohnung des Klägers war ein steuerbegünstigtes Objekt

Bei der dem Kläger gehörenden Wohnung im Gebäude handele es sich um ein einem Gebäude gleichgestelltes Objekt gemäß § 10f Abs. 5 EStG, das vom Kläger und seiner Familie seit dem Abschluss der Bauarbeiten in 2010 zu eigenen Wohnzwecken genutzt werde. Das Gebäude sei ein Baudenkmal im Sinne des § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG. Dies sei durch die Bescheinigung nach § 7i, § 10f EStG des Landesamts für Denkmalpflege mit Bindungswirkung für die Einkommensteuerfestsetzung festgestellt.

Fehlende Abstimmung der Baumaßnahmen mit der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle

„Abstimmen“ bedeute dabei eine einverständliche, bei Bedarf hinsichtlich Art, Umfang und fachgerechter Ausführung ins Detail gehende Festlegung der durchzuführenden Baumaßnahmen. Die beabsichtigten Maßnahmen müssten folglich mit den Vorstellungen der zuständigen Behörde in Einklang gebracht werden; es bedürfe eines beiderseitigen Einverständnisses hinsichtlich aller Ausführungsdetails der geplanten Maßnahme zwischen zuständiger Behörde und Steuerpflichtigem/Bauherrn. Zweck der Abstimmung sei es, sicherzustellen, dass die Interessen des Denkmalschutzes bei der Durchführung der Baumaßnahmen gewahrt werden. Diese Fördervoraussetzung könne zwar nicht nur durch die Bescheinigung im Sinne von § 7i Abs. 2 Satz 1 EStG, sondern auch durch Schriftverkehr mit der zuständigen Behörde oder in sonstiger Weise belegt werden. Die Abstimmung müsse aber vor dem Beginn der Baumaßnahmen oder eventueller Änderung der Planung vorgenommen werden und könne nicht im Nachhinein getroffen.

Im Streitfall sei eine Abstimmung weder mit einer deutschen noch mit einer französischen Denkmalbehörde erfolgt. Die Abstimmung der Baumaßnahmen mit einer deutschen Denkmalbehörde wäre – worauf der Kläger zu Recht hinweist – schwerlich möglich gewesen, da die deutschen Denkmalbehörden für außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets gelegene Baudenkmale nicht zuständig sind. Eine Abstimmung mit der zuständigen französischen Denkmalbehörde sei allerdings ebenfalls nicht erfolgt. Dabei sei dies nach französischem Recht möglicherweise zwingend vorgesehen, zumindest aber möglich gewesen.

Keine Entbehrlichkeit des Abstimmungserfordernisses in Auslandsfällen

Das Abstimmungserfordernis sei auch bei im Ausland gelegenen Baudenkmalen jedenfalls dann nicht entbehrlich, wenn – wie im Streitfall – das nationale Denkmalschutzrecht des anderen EU-Mitgliedstaates eine Abstimmung der Baumaßnahmen mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde vorsehe. Im Hinblick auf den damit vom Gesetzgeber verfolgten Zweck könne die Abstimmung nicht im Rahmen einer über den Wortlaut der Norm hinausgehenden europarechtskonformen Rechtsfortbildung durch eine nachträgliche Begutachtung ersetzt werden.

Kein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH

Die beantragte Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO im Hinblick auf ein Vorabentscheidungsersuchen komme vorliegend nicht in Betracht, da aufgrund der fehlenden Abstimmung der Sanierungsmaßnahmen mit der zuständigen (französischen) Denkmalschutzbehörde die Frage, ob die Beschränkung der Steuerbegünstigung gemäß § 10f i. V. m. § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG auf im Inland belegene Baudenkmäler gegen Europarecht verstößt, nicht entscheidungserheblich sei.

 

Quelle: FG Baden-Württemberg Newsletter 02/2011